Ja, schön blöd. Da müht man sich Jahre mit der Klimakrise ab, macht nicht mehr als Trippelschritte, und auf einmal platzt Corona hinein, fährt politischen Willen hoch und den Rest des Landes runter, tosender Stillstand. Die Realität auf einmal Science-Fiction, Absurditäten normalisieren sich. Heute denkt man «Mensch, was werden wir den Kindern einmal darüber erzählen», morgen fällt uns ein, dass es keinen Grund gibt anzunehmen, dass Corona nicht nur der Aperitif des Jahrhunderts ist.
Drei unschöne Wahrheiten offenbaren sich schnell: 1. Man hat die Klimakrise nicht einen Tag wirklich ernst genommen. 2. Man hätte das mal machen sollen. Mit Blick auf die täglichen Lawinen an politischen Herausforderungen, die dieser pandemische Krisenkomplex für uns bereithält, erscheint die Zeit vor Corona immer deutlicher ein günstiger Zeitpunkt gewesen zu sein, die Sachen mit der Klimakrise «auf den Weg zu bringen». Also Klimaziele anheben, Maßnahmenpläne, CO2-Steuern etablieren – früher wurde sowas als radikal bezeichnet, inmitten eines nicht enden wollenden Strudels der Regulations- und Verbotspakete haben solch zarte Klimaschutzanforderungen etwas von gemäßigter Unionspolitik. 3. Nachdem man es jahrelang nicht geschafft hat, eine globale Krise erfolgreich zu managen, müssen wir nun anscheinend zwei gleichzeitig angehen. Tagein, tagaus wird erklärt, man müsse diese Krise als «Chance» wahrnehmen, die Idee der Resilienz und nachhaltigen Krisenbewältigung glitzert über Punkteplänen und Krisenkonzepten.
Als wir uns das letzte Mal in einer Wirtschaftskrise befanden, war ich 12 Jahre alt. Ich erinnere mich vor allem an die Bilder aus der Tagesschau, die immer wieder Geldscheine und Banken zeigten. Ähnliches gilt wohl für viele junge Menschen heute: Wir haben am wenigsten Erfahrung mit der Bewältigung von Wirtschaftskrisen und sind gleichzeitig diejenigen, die am längsten mit historischen Verschuldungen und folgenreichen Grundsatzentscheidungen, die mit Corona zusammenhängen, leben müssen. Und weil das schnell zu Atemlosigkeit führt, hier ein friendly reminder: Wir sind auch die Generation, der man zugute hält, dass sie geschafft hat, was die Generationen vor ihr nicht hingekriegt haben – wir haben der Klimakrise ein Gesicht gegeben. Und zwar unser eigenes. Liebst du dein Kind, kümmerst du dich um das verfluchte Klima.
Jetzt ist Corona, diese Rechnung wurde kurzerhand zu «liebst du deine Großeltern, bleibst du zu Hause». Aber das reicht noch nicht. Denn ehrlicherweise gibt es keinen Grund anzunehmen, dass aus Corona irgendeine Chance erwächst. Es ist ein schöner, aber auch verträumter Gedanke, dass man jetzt mal nebenbei «notwendige» Transformationen anstößt in Bezug auf Mobilität, Klima, Landwirtschaft. Bisher hat man auch ohne Corona keinen Grund dazu gesehen. Wieso sollte man es jetzt machen, in dieser Doppelkrise, wo doch ohnehin schon alles so schwierig ist?
Vielleicht aber doch, wenn wir diese Gründe zur Verfügung stellen. Vielleicht aber doch, wenn wir uns als Generation verstehen, die schon einmal eine Krise angegangen ist, um das Beste aus ihr herauszuholen. Corona ist mehr als zu Hause bleiben. Und solidarisch sein heißt heute auch, wenn man kann, die eigene politische Stimme zu nutzen. In Solidarität mit anderen, die das nicht können. Weil die Zeiten eben hart sind, für viele. Lasst uns mal eine Runde Privilegien checken. Und uns, im besten Falle, als junge, politische Generation mit dem krassesten Trackrecord überhaupt ernst nehmen. Und dann als unverzichtbarer Ideengeber, Anforderungssteller, Bedingungsformulierer und Krisenbewältiger mitmischen. Ist nun mal unsere Zukunft.
Luisa Neubauer ist Klimaschützerin und Aktivistin bei der deutschen Fridays-for-Future-Bewegung. Sie ist Mitglied bei Bündnis 90/Die Grünen und bei der Grünen Jugend.